Der "Fehler" und der "Richtiger"

Plädoyer für den "Richtiger"

Fuck-Up-Nights sind der neueste Versuch Fehler, Niederlagen oder sonstigen Patzern in ein neues Licht zu setzen. Ich finde den Ansatz prima. Fehlerkultur..... wir alle machen Fehler und wollen daraus lernen. Das es dazu Fuck-Up-Nights gibt, zeigt mir, was für ein verheerendes Tabu es immer noch ist Fehler zu machen. Und auf der Bühne sind natürlich nur Menschen, die es irgendwann einmal verkackt haben aber mittlerweile wieder alles im Griff haben, erfolgreich und smart referieren, wie das Leben funktioniert, also Gewinner im landläufigen sind.

Es scheint so, als seien wir wesentliche fokussierter auf das was nicht funktioniert. Nicht nur in den Nachrichten auch bei Aldi in der Schlage an der Kasse, geht es darum was schief gegangen ist. Wir haben demnach eine Konzentration auf den Fehler, das Problem. Ein Kunde sagte einmal, wir sind sehr gut darin uns selbstzentriert auf unsere Fehler zu fokussieren.

Irgendwie haben wir es immer wohl noch nicht gelernt uns mehr damit zu beschäftigen, was gut läuft und daraus mehr zu machen. 95% laufen gut, 5 % nicht und die 5% bekommen 95% Prozent Aufmerksamkeit. Ich bin absolut dafür, dass wir aus Fehlern lernen sollen. Es muss analysiert werden, was schief gelaufen ist oder läuft, und was kurz-, mittel- und langfristige Abstellmaßnahmen sind. Da sind wir, wie ich meine, auch schon ziemlich weit, ich denke da an all die Qualitätsmanagement-Systeme. Die haben Ihre Berechtigung und viel Positives bewirkt.

Eine wahre Geschichte:
Vor einiger Zeit war ich bei einem Produktionsunternehmen mit dem Auftrag unterwegs: "Was können wir tun, um die Stimmung und Atmosphäre zu verbessern?" Nach einigen Tagen, die ich in Einzelgesprächen mit Mitarbeitern des Unternehmens verbracht hatte, nahm ich teil an der morgentlichen Besprechung der Manager, der sogenannten Stehung. Stehung fand und finde ich cool, weil es da schwerer fällt, in ewig lange Monologe oder Diskussionen zu verfallen. So war das auch, alles kurz knapp und nach 30 min vorbei. Nachdem ich nach 3 min inhaltlich nicht mehr folgen konnte, habe ich mich darauf konzentriert Worte zu zählen. Nach etwa 10min, das Wort lief reihum, jeder Manager erzählte aus seinem Bereich, hatte ich folgendes Resultat:

67 mal das Wort "Problem"
5 mal das Wort "gut"

Ok, vielleicht ein erster Hinweis wo die schlechte Stimmung herrühren konnte, vielleicht ein spezieller Tag, waren meine erste Deutung. Natürlich war ich am nächsten Morgen wieder da, und erlebe ein ähnliches Szenario, ach ja, was ich nicht wahrgenommen hatte, war: Wenn alles gut war, kam als Beschreibung: "Tagesgeschäft". Dieses Schauspiel habe ich drei Tage am Stück erlebt, bemerkenswert waren auch die Mienen der Teilnehmer nach der Stehung. Kein Wunder, 20min, am Beginn des Tages, Probleme, Schwierigkeiten, Ungewissheit, schwerer Tobak! So gingen die Teilnehmer dann als Multiplikatoren in Ihre Bereiche.

Okay, Feedback meinen Auftraggeber, Problem nur, der Auftraggeber ist der Leiter des morgentlichen Treffens. Okay, kein großes Problem, er kann das Feedback gut nehmen und fragt sofort, was können wir ändern? Wir haben dann zwei Dinge geändert. Erstens den Raum, in dem die Stehung stattfand, und zweitens musste jeder Teilnehmer einen Erfolg berichten in der Stehung, fertig. Das neue Procedere brauchte zwei Monate, um sich zu verselbstständigen, dann drehte sich auch die Stimmung im gesamten Werk, bis der CEO abberufen wurde und ein Neuer kam. Der konnte diesen Quatsch mit der Selbstbeweihräucherung nicht leiden und wollte statt dessen "echte" Probleme besprechen. Heute, etwa drei Jahre später,  gibt es den Produktionsstandort mittlerweile nicht mehr. Er wurde wegen zu schlechter Ergebnisse von der amerikanischen Zentrale geschlossen. Ob das etwas mit der Stimmung zu tun hatte? Ich behaupte ja!

Wenn wir das ganze einmal linguistisch, also sprachlich betrachten, so zeigt sich, dass es für das Substativ  "Fehler" kein Gegenteil in unserem Sprachgebrauch gibt. Das Wort "Erfolg" kommt da wohl noch am nächsten. Gefühlt nutzen wir das Wort "Erfolg" allerdings für etwas besonderes, was wir geleistet haben. Für die tagtäglichen Situationen, beispielsweise "über die Straße gehen" oder die "Schuhe binden", im geschäftlichen Kontext "den Auftrag holen" oder das "Projekt lebendig gestalten" werden wir eher selten das Wort Erfolg nutzen. Ich vermute einmal es hat etwas damit zu tun, dass wir Dinge, die wirregelmäßig und routiniert ableisten, eher als normal bezeichnen. Nur am Anfang steht da ein gewissen Zauber und damit Erfolg. Der erste Auftrag eines neuen Kunden wird als Erfolg verbucht, die Leistung und die Anstrengung die vorher geleistet wurde, wird quasi ausschließlich auf diesen ersten Erfolg gebucht. Die Folgeaufträge sind dann normal.

Um diese Normalität ein wenig mehr zu würdigen, schlage ich vor, wir führen ein neues Wort als Gegenteil von Fehler ein, den "Richtiger".

Ich bin gespannt, ob ich mit dem kleinen Artikel einen "Richtiger" landen konnte, Sie zum Nachdenken angeregt habe und freue mich natürlich über Kommentare.

Viele Grüße, Rolf Söder